Mit dem Projekt „Kalk – schaurig schön“ möchte ich die urbane Realität des Kölner Stadtteils Kalk in Fotografien einfangen.
Inspiriert hat mich dabei das Werk von Eugène Atget (1857–1927) und Chargesheimer (1924–1972).
Atget dokumentierte um 1900 das alltägliche, oft verfallene Paris – die unscheinbaren Straßen, Gassen und Plätze fernab der touristischen Attraktionen. Seine Aufnahmen zeigen eine Stadt im Wandel, still und beinahe menschenleer.
Chargesheimer (eigentlich Karl-Heinz Hargesheimer) setzte sich in seiner Bildserie „Köln 5Uhr30“ aus dem Jahr 1970 mit seiner Heimatstadt auseinander. In einer schonungslosen Bestandsaufnahme hielt er die unansehnlichen Seiten Kölns fest: architektonische Fehlentwicklungen, Spuren des Krieges, leere Plätze, monotone Fassaden und Betonbauten – alles ohne das belebende Element des Menschen.
Beide Fotografen hatten den Wandel einer Stadt mit mittelalterlicher Struktur als Ankerpunkt: Atget wollte das "Alte Paris" für die Nachwelt konservieren, bevor es zu einer modernen Metropole umgebaut wurde, während Charges-heimer in Köln den Stadtplanern der Nachkriegszeit den Spiegel vorhielt.
Der Kölner Stadtteil Kalk blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Einst als Pilger- und Erholungsort auf der „Schäl Sick“ bekannt, wandelte er sich im Laufe der Zeit zu einem bedeutenden Industriestandort. Im Zweiten Weltkrieg schwer zerstört, erlebte Kalk in den Jahren des Wiederaufbaus während des Wirtschaftswunders eine erneute Blütephase.
Seinen tiefsten wirtschaftlichen Einschnitt erlitt das Viertel mit der Schließung der Chemischen Fabrik Kalk (CFK). Seither gilt es als ein „Stadtteil mit besonderem Entwicklungsbedarf“ – ein Areal, das nun gezielt als Wohn- und Verwaltungsstandort umgestaltet, verdichtet und modernisiert wird.
Eingeschlossen von Gleisanlagen, Bahndämmen und der Stadtautobahn, ist Kalk heute nur über Unterführungen erreichbar – Orte, die selten ein Gefühl von Behaglichkeit vermitteln. Auch innerhalb des Viertels finden sich zahlreiche Plätze, deren Anblick ambivalente Empfindungen hervorruft. Manche von ihnen mögen einst schön gewesen sein, bevor sie in Vergessenheit gerieten und dem Verfall preisgegeben wurden. Andere hingegen sind Produkte moderner Stadtplanung – nüchtern, funktional, und doch von einer eigentümlichen, fast beklemmenden Ästhetik.